KANN MAN GLÜCK LERNEN?
Der Begriff von Glück nach Aristoteles ist in der heutigen Gesellschaft seit dem 18 Jahrhundert nach und nach verloren gegangen. Glück nach Aristoteles besagt, dass man Glück nur dann finden kann, wenn man aktiv etwas dafür tut. Das Glück folgt somit aus einer Tätigkeit. Möchtest Du erfahren, welche Methoden es gibt dein wahres Glück zu erlernen?
von Bernadette Steinhart und Johanna Geiser
Kaffeedampf liegt in der Luft und Fabio Bär nimmt in seinem Stammkaffee seine erste Mahlzeit ein. Währenddessen ist Helen in Radolfzell schon fleißig am Topflappen Häkeln. Was haben die beiden wohl gemeinsam?
Zunächst einmal haben beide denselben Beruf, sie sind Lehrer und Lehrerin. Außerdem haben sie die gemeinsame Auffassung, dass man Glück lernen kann. Sie folgen damit der Auffassung des ehemaligen Heidelberger Schuldirektors Dr. Ernst Fritz Schubert: „Bildung ist mehr als Wissen und mehr als nur zu funktionieren. Sich bilden heißt, sich die Welt zu erobern und einen Platz in ihr zu finden“[1].
[1] Dr. phil. Ernst Fritz-Schubert: https://www.fritz-schubert-institut.de/dr-phil-ernst-fritz-schubert
Die besondere Rolle von Helen und Fabio ist es, dass sie als erste Vertreter ihrer Zunft im Bodenseeraum ihren Schülern [2] helfen wollen, Glück zu erlernen. Jetzt fragst Du Dich bestimmt, was hat denn Glück in der Schule zu suchen. Ist Glück nicht einfach ein kurzer Moment, sowie ein 6er im Lotto oder einen Geldschein auf der Straße zu finden? Nein, Fabio und Helen definieren Glück anders.
Für Fabio sind für ein gelingendes Leben drei Grundbedürfnisse zentral. Freiheit, Sicherheit und Sinn. Freiheit ist für ihn das Leben nach seinen Werten zu gestalten. Das Gefühl der Sicherheit geben Freundschaften und Beziehungen. Einen Sinn findet er darin, seinen Schülern zu helfen, ihr Leben aktiv zu planen und zu gestalten. Letzteres sieht auch Helen so. Darüber hinaus ist Glück für sie das „Ja“- sagen können. „Ja“ zu sich selbst, „Ja“ zu seinen Schwächen und „Ja“ zu Anderen, einfach das „Ja“ zum Leben.
Du ahnst schon, Glück oder Wohlbefinden, wie man vielleicht besser sagen kann, ist keine temporäre Sache und vor allem konzentriert sich Glück auf jeden selbst und nicht – wie oft angenommen – auf materiellen Wohlstand. Um dieses Glück in der jungen Generation zu verankern helfen Helen und Fabio dabei, dieses Glück zu finden und gehen hierbei auch bewusst auf Ängste und Schwächen der Schüler ein.
[2] In dieser Geschichte wird aufgrund der Aufrechterhaltung des Leseflusses durchgehend der Begrif „Schüler“ verwendet. Beide Geschlechter werden hiermit gleichermaßen inkludiert. Wir bitten hiermit um Verständnis
Wie Helen und Fabio es schaffen, ihre Schüler zu bestärken, erzählen Dir diese selbst. Helens Unterricht stellt Dir Marie vor, eine Oberstufenschülerin:
,,Ich bin auf diese Schule gewechselt, da es mir auf der alten Schule nicht gut ging. Der Unterricht war stressig und wozu ich Bruchrechnen später noch brauche ist mir stets unklar. Seit ich aber bei Helen im Unterricht bin, ist es magisch geworden. Fast so als unterrichte sie mit Zauberei. Ich erinnere mich an ein Spiel, bei dem uns die Augen verbunden wurden und wir uns aus einem Säckchen einen Stein nahmen. Nachdem ich meinen Stein betastet hatte gaben wir uns die Steine im Kreis reihum weiter. Plötzlich hatte ich den Aha-Moment. Ich hatte meinen Stein wieder in der Hand. Genau dieses Gespür hatten alle. Als wir die Augen wieder öffneten und alle Steine vor uns auf dem Boden lagen, entdeckte ich meinen Stein sofort. Ich war über die eigene Kraft meiner Sinne so überrascht, dass ich mein eigenes magisches Glücksgefühl verspürte.
Ein anderes Mal hingegen mussten wir Bildkarten ziehen, zu denen wir uns eine Geschichte ausdenken sollten. Am Anfang war ich überfordert mir aus dem Stegreif eine Geschichte zu überlegen. Als ich an die Reihe kam und meinen Gedanken freien Lauf lies, konnte ich aber plötzlich nicht mehr aufhören zu erzählen. Es war als wäre ich in einem Flow gefangen und erneut durchströmte mich Glück in Helens Unterricht.“
Bei Fabio möchten Dir eine ganze Reihe seiner Schüler von den Erfahrungen aus ihrem Glücksunterricht berichten:
„Wir haben einen regen Austausch auf dem Pausenhof. Eigentlich reden wir über alle Schulfächer aber eben auch über den Glücksunterricht. Hier reden wir tatsächlich sogar manchmal öfter drüber. Da der Seminarkurs freiwillig angeboten wird, kennen viele das Fach nicht und wir müssen viel erklären. Meistens reden wir mit unseren Freunden über die Themen unserer Seminararbeit oder die Übungen aus dem Unterricht“
„Besonders interessant fand ich es, unsere Kernstärken und Schwächen herauszufinden. Außerdem haben mir die Definitionen von Glück gefallen und die vielen Übungen, in denen es um uns persönlich ging.“
„Am Anfang des Schuljahres hatte ich keine Ahnung wie Herr Bär ein ganzes Jahr nur über Glück reden will. Ich habe nicht gedacht, dass so viel dahintersteckt. Am meisten sind mir die „Grundstrukturen” zum Glück des Menschen in Erinnerung geblieben.“
„Ich finde man kann den Seminarkurs nicht mit einem normalen Unterricht vergleichen, da die Atmosphäre viel lockerer und entspannter ist. Es findet auch kein Frontalunterricht statt und dadurch ist der « Unterricht » nicht so anstrengend und kommt einem eher wie eine Art AG vor.“„Es gibt auf jeden Fall Unterschiede zu den anderen Fächern, die ich in der Schule habe, da es teilweise um uns persönlich, um Erfahrungen oder Vorlieben geht, was mir sehr gut gefällt.“„Definitiv ist der Unterricht nicht mit anderen Fächern vergleichbar. Da der Unterricht in unserer Bibliothek stattfindet ist die Atmosphäre erstmal deshalb viel lockerer, aber auch generell der Umgang ist viel lockerer.“„Ich finde es gut und nützlich für unsere Zukunft, unsere Kernstärken und Schwächen zu kennen, beispielsweise in der Berufswahl, um herausfinden zu können in welchem Bereich man am stärksten ist und was eher nicht so zu einem selbst passt.“„Geteiltes Leid ist halbes Leid ist das Thema meiner Seminararbeit.“„Glück ist das, was man aus dem Leben macht.“
So kommt der Glücksunterricht also bei den Schülern an. Doch wie gelingt es zum Beispiel Helen bei Marie diese magischen Momente herbeizuführen?
Zuerst einmal muss Helen die Momente finden, in der Marie und ihre Freunde diese Magie auch aufnehmen können. Die Kunst liegt also darin, Momente zu finden, in denen die Schüler motiviert sind und mit Eifer mitmachen.
Helen ist ein ganz normaler Mensch, so wie Du und ich. Manchmal fällt es ihr schwer, sich für den Unterricht zu motivieren. Jede hat schließlich mal einen schlechten Moment, aber Helen schafft es trotzdem immer wieder, den Schülern beizubringen, wie sie ihr eigenes Wohlbefinden steigern können.
Sie schafft es, dass sich die Schüler öffnen und Zugang zu ihrem inneren Wohlbefinden finden. Das ist nicht immer einfach, gerade dann, wenn die Schüler bereits einen belasteten Hintergrund haben. Doch Helen schafft es einfach irgendwie trotz alle dem.
Dabei ist der Umgang mit den Schülern nicht immer einfach, gerade in der Oberstufe stellen sie fast alles in Frage, was sie da gerade tun. Doch auch im Hinblick auf diese Sinnfrage kann Helen ihre Schüler unterstützen. Vielleicht kommt bei manchen die Erkenntnis zwar erst nach dem Unterricht. Aber Helen tut ihr Bestes dafür, dass diese Erkenntnis einsetzt.
Auch Fabio muss sich einigen Herausforderungen stellen, damit seine Schüler so einen positiven Unterricht erleben können. Auf der einen Seite muss er den vorgegebenen Lehrplan des Seminarkurses umsetzten. Auf der anderen Seite muss er aber auch seine Schüler dazu motivieren sehr persönliche Erfahrungen, Ängste und Probleme offen zu legen.
Um dies zu schaffen, bedient sich Fabio nicht nur an so genannten „Energizern“ am Anfang des Unterrichts, sondern auch vieler praktischer Übungen. Diese sind so angelegt, dass die Schüler über sich selbst reflektieren und danach in sicherem Rahmen selbst entscheiden, was sie davon mit ihren Mitschülern teilen möchten. So entsteht im Kurs ein Gefühl von Sicherheit und daraus entsteht Offenheit. Fabio sagt aber auch offen, dass bis jetzt das Fach Glück am Ellenrieder Gymnasium noch auf freiwilliger Basis als Seminarkurs oder im Rahmen des Hegau- Bodensee-Seminar stattfindet und keine Pflicht-Veranstaltung ist. Er geht daher davon aus, dass die teilnehmenden Schüler eh schon die sind, die sehr aktiv und interessiert sind. Er würde sich wünschen, dass noch viel mehr Schüler vom Schulfach Glück profitieren können, eventuell sogar im Rahmen eines Pflichtfaches.
Das Schulfach Glück stößt natürlich auch auf Skepsis. Nichts destotrotz ist Fabio engagiert, das Fach Glück auch in die Unter- und Mittelstufe zu tragen. Zum Beispiel hat er ein Experiment durchgeführt, bei dem er in eine 7. Klasse in den Ethik Unterricht ging und mit den unterschiedlichsten Schülern gemeinsam gearbeitet hat. Für Fabio ist es besonders wichtig, dass jeder Schüler sich auch bei Übungen und Aufgaben komplett rausnehmen kann, wenn er sich dabei nicht wohlfühlt. Seine Kolleginnen und Kollegen stehen dem Fach teils begeistert gegenüber, teils eher skeptisch. Einige Skeptiker empfinden das Schulfach Glück als Eingriff in die Privatsphäre. Fabio versucht seine Kolleginnen davon zu überzeugen, dass seine Schüler viel mehr davon profitieren sich besser kennen zu lernen sowie etwas über die eigenen Stärken, Werte und Wünsche zu erfahren, als dass es einen negativen Eingriff in die Privatsphäre darstellt.. Fabio ist zuversichtlich, dass das Fach Glück in der Schule eine Zukunft hat und engagiert sich dafür, die Inhalte im Schulalltag zu etablieren.
Zwei Menschen vom Bodensee, die mit Herzblut Lehrer sind. Begegnet man Ihnen jedoch im Alltag, dann sind sie zwei ganz normale Menschen, so wie Du und ich. Menschen die gerne Kaffee trinken und einem Hobby wie Topflappen häkeln, nachgehen.
Trotzdem sind sie besonders, denn sie schaffen es, dass auch ihre Schüler selbst zu Helden werden. Wer schafft es denn sonst, anderen Menschen zu ihrem ganz persönlichen und individuellen Glück und Wohlbefinden zu verhelfen?
Inspiriert von Ernst Fritz Schubert tragen Sie dessen Konzept in die Welt und bestärken ihre Schüler. Nach einem Jahr Glücksunterricht haben Helen und Fabio jeden und jede ihrer Schüler und Schüler selbst zu Helden gemacht. Heldinnen, die wohl auch nicht auf einer rosa Wolke des Glücks schweben, die aber eine klarere Vorstellung davon haben, was für sie ein gelingendes Leben ist und wie sie Gestalter ihres Lebens sein können. Zwei einfache Lehrer, die es mit Hilfe eines einzigen Schulfaches vielleicht schaffen, eine ganze Gesellschaft zu Helden zu machen. Es muss wohl ein unglaubliches Gefühl sein, wenn man sein Glück gefunden hat.
INFOBOX ZU ERNST FRITZ SCHUBERT UND DEM SCHULFACH GLÜCK
Unterrichtsfach Glück nach Dr. phil. Ernst Fritz-Schubert (*1948)
Der ehemaliger Schuldirektor Ernst Fritz-Schubert hat das Unterrichtsfach „Glück“ an der Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg entwickelt. Seit 2009 gibt er das Konzept an seinem pädagogischen Institut an andere Lehrer/innen und Interessierte weiter.
Durch den Glücksunterricht soll es gelingen, die Zufriedenheit und Selbstsicherheit der jungen Schüler/innen zu stärken. Hierbei soll das Negative nicht unbeachtet bleiben, aber das Positive verstärkt werden. Insgesamt soll damit in der Schule ein Bereich für Persönlichkeitsentwicklung, Selbstwirksamkeit und kreatives Schaffen geschaffen werden. Im Fokus stehen das kognitive Lernen und die soziale Entwicklung der Schüler.